Die Symbiose von Sammeln und Reisen
Ich komme aus einer Sammlerfamilie und erinnere mich noch gut daran, wie wir bei einem USA-Urlaub 1995 an Schrottplätzen Halt machten, um nach Nummernschildern für die Sammlung meines Vaters zu suchen. Meine Schwester hat eine große Sammlung von Coladosen mit Motiven aus allen Ecken der Welt und meine Mutter hat eine über die Jahre zu beachtlicher Größe gewachsene Sammlung von kunstvoll gestalteten Holzvögeln. Ich selbst habe viele Sammlungen, die kurioseste davon umfasst mehrere hundert Radiergummis. So war es kein Wunder, dass wir von unseren Familienreisen immer viele Souvenirs mitbrachten. Meine Eltern gestalteten damit wunderbare Alben, in die wir neben den Fotos auch viele andere Erinnerungsstücke einklebten. Obwohl besagte Alben für mich persönlich zu den wertvollsten Gegenständen überhaupt zählen, gelang es mir nie diese sehr aufwendige Praxis zur Gewohnheit zu machen und meine eigenen Reisen derart aufzuarbeiten. Als ich dann begann alleine zu verreisen, sammelten sich in meinen Schubladen, in kleinen Dosen und Kästchen schnell vielerlei Andenken an besondere Momente und Erlebnisse.
Faszination für die Geschichten hinter den Dingen
Erst als ich von daheim auszog und später bei diversen Umzügen zwischen verschiedenen Wohnungen begegneten mir die kleinen Gegenstände wieder. Zwar lösten viele davon noch die damit verknüpften Erinnerungen aus, aber bei manchen waren diese leider schon verblasst, was mich traurig machte. Immerhin hatte ich die Dinge aus irgendeinem nicht mehr ersichtlichen Grund über große Distanzen und trotz sehr begrenztem Gepäcks zu dem Zweck mitgenommen, dass sie mich an besondere Erlebnisse erinnern sollten.
Bereits als Kind war es für mich eine unermüdliche Freude, den Inhalt einer kleinen Schatzkiste, die mein Vater ganz hinten in seinem Kleiderschrank versteckte, zu begutachten. Darin waren unter anderem Deutsche Geldscheine aus den Zeiten der Hyperinflation, bedruckt mit unvorstellbaren Summen, Silbermünzen und Schwarzweißfotos. Es waren also Dinge, die aus sich heraus Geschichten erzählten oder als Ankerpunkt für Geschichten dienten, die mir meine Eltern erzählen konnten.
Von der Leidenschaft über den Nutzen zur Produktidee
Questlog baut auf diesen Erfahrungen auf und verbindet sie mit weiteren Beobachtungen. Das Sammeln von Souvenirs ist ein weit verbreitetes menschliches Phänomen, genau so wie die Erfahrung, dass es oft zu aufwändig ist, diese Andenken gemeinsam mit Fotos zu einem Fotoalbum zu kombinieren. Auch der Schmerz, den man empfindet, wenn man die unscheinbaren kleinen Schätze mit großer persönlicher Bedeutung nach Jahren der Vernachlässigung im Bodensatz irgendeiner Schublade wiederfindet, ist weit verbreitet.
Außerdem sammeln viele Menschen, die gerne Reisen, Dinge wie Reiseführer (oft auch ohne sie tatsächlich zu lesen), Merchandise von einer bestimmten globalen Marke (Hard Rock Cafe, Starbucks, Coca Cola, ..) oder eben Dinge wie Nummernschilder, Zuckertüten, Briefmarken, Geldscheine oder sonstige Vertreter einer Ding-Kategorie, die überall zu finden ist. So eine Sammlung sieht sehr ästhetisch aus und erfüllt sowohl eine Ankerfunktion als auch eine Beweisfunktion. Sie soll uns an das außergewöhnliche erinnern und anderen gegenüber die eigene Weltgewandtheit repräsentieren. Ebenfalls beliebt sind Weltkarten in die man kleine Pins für alle besuchten Orte steckt oder diese auf andere Art markieren kann.
Meine Idee für Questlog war es, diese Funktionen zu einem Hybrid aus Fotoalbum, Setzkasten, Reisetagebuch und Dekoration zu verbinden. Ausserdem wollte ich mich beruflich mit Themen befassen, die mich sowieso interessierten, damit mir die Arbeit leicht von der Hand geht.
Von der Produktidee über den Businessplan zur Umsetzung
Vor- und während dem Studium bin ich viel gereist: Sprachschule in Boston, Work & Travel in Australien, Auslandssemester in Taiwan und Kalifornien. Im Studium (BSc & MSc in TUM-BWL) habe ich mich auf Innovation & Entrepreneurship fokussiert und meine Masterarbeit über Cultural Diversity in Startups geschrieben. Nach dem Abschluss habe ich, bereits mit dem Businessplan für Questlog, am Erasmus for Young Entrepreneurs Programm teilgenommen und dabei acht Monate bei dem Schwedischen Startup Uniti in Lund gearbeitet. Als ich die Lasercutter-Technologie “entdeckt” habe, hat es Klick gemacht und ich wusste wie ich Questlog realisieren kann. Ich bin zurück nach München und habe im dortigen Makerspace ca. die ersten 500 Questlogs hergestellt.
Nebenbeschäftigungen und glückliche Fügungen
Nebenher begann ich ein zweites Masterstudium in Wissenschafts- und Technikphilosophie, meine Abschlussarbeit zum Thema Erinnerung durch Dinge ist noch offen. Gerade der Blick auf Texte aus der Technikphilosophie stellte meine Vision für Questlog auf ein solides theoretisches Fundament. Als klar wurde, dass ich einen eigenen Lasercutter kaufen werde, traf ich die Entscheidung, zurück in meinen Heimatort Lörrach im sonnigen Südwesten zu ziehen. Es stellte sich als schwierig heraus, einen passenden Ort für meine kleine Werkstatt zu finden und ich zog für einen Winter in die unisolierte Parzelle einer Lagerhalle. Da der Laser mindestens 25 Grad Betriebstemperatur braucht und auch ich bei 5 Grad nicht optimal funktionierte, war klar, dass der Ort keine Dauerlösung sein konnte. Im Jahr darauf ergab sich die Gelegenheit ein Gebäude in der Lörracher Nordstadt zu beziehen und dort sowohl einen Coworking Space als auch eine Gemeinschaftswerkstatt einzurichten. Ich konnte meinen Vater von dem Konzept überzeugen, 2019 wurde das Gebäude umfassend renoviert und 2020 öffneten wir die Tore für andere Selbständige die in einer kreativen Umgebung ihre Ideen testen und umsetzen wollen. Wir gaben dem den Ort den Namen Startblock und hier sitze ich nun im OG und schreibe diesen Text während im EG der Laser läuft.
Meilensteine und Auszeichnungen
Vor fast zwei Jahren erhielt ich mit Questlog von der Bundesregierung die Auszeichnung als Kultur- und Kreativpilot und im Jahr darauf schaffte ich es in den Contentshift Accelerator des Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Beide Programme waren mit intensivem Mentoring verbunden und brachten mich in Austausch mit anderen kreativen Projekten aus ganz Deutschland. Die Erfahrungen aus diesen beiden Programmen waren sehr prägend, die Auszeichnung eine große Ehre und Bestätigung. Gleichzeitig wurde mir klar, dass die Questlogs in ihrer aktuellen Form nicht skalierbar sind. Das bedeutet, dass einige Aspekte die zwar bei moderaten Stückzahlen nur geringe Probleme verursachten, bei größeren Stückzahlen zu ausufernden Kosten führen würden.
Was diese Einsicht konkret für die Zukunft von Questlog bedeutet, werde ich dann im nächsten Blogbeitrag in einer Woche beschreiben.